Der Frau Baumann aus Gossau geht es ganz ähnlich: Kleine Lichtblicke im grauen Alltagstrott sind die ausgedehnten Pausen. Sie verbringt den ganzen Tag gerne sitzend. Auch Kaffeepausen verbringt sie sitzend, da es in Pausen nicht darum geht Energie aufzubauen, sondern sich zu entspannen.
Inzwischen ist auch ihre Körperfülle sitzend besser im Gleichgewicht als stehend. Damit die täglich achstundendreissig Arbeitsstunden gut abgearbeitet werden können, hat sich Frau Baumann mit kontrollierter Energie einen Schutzmantel der Gleichgültigkeit gewoben. Die energetisch tiefe Taktzahl schützt sie bisher nachweislich vor Herzinfarkten und gleichwertigen nachhaltigen Gefahren.
Mit dieser Grundhaltung hat sie nun schon dreissig Jahre unspektakuläre Arbeit hinter sich gebracht. Der Kokon hat einen weiteren praktischen Effekt: Er schützt Frau Baumann gleichermassen vor unkontrollierten Gefühlen wie Wut und ausgelassener Freude. Letzteres damit begründet, dass wir „ja keine Spassgesellschaft“ sind und ein derartig unpopuläres Verhalten im Kollegenkreis Missgunst auslösen würde. Und dieses Konzept schützt sie intuitiv vor Enttäuschung. „Wer nicht hoch steigt, kann auch nicht tief fallen“, sagt sie gerne. Die Kolleginnen nicken und lächeln zustimmend. Endlich findet der zurückgehaltene Enthusiasmus aber nun in Form dieser fest institutionalisierten Pause ein Daheim.
Hier ist Frau Baumann in ihrem Element, wenn die unsinnige Arbeit endlich mal zurückstehen muss. Ein geübter Beobachter würde in diesem Moment unverhofft ein Funkeln in den Augen von Frau Baumann
erkennen, während Frau Baumann’s Kopf weit hinten auf ihrem breiten Nacken ruht. Dieses kurze Innehalten im unendlichen Zeitgefüge ist wohlverdient und gewissermassen heilig für sie und ihre
Leidesgenossinnen.
In diesen Pausen sind viele Gleichgesinnte anzutreffen, die dieselbe Einstellung pflegen. Gemeinsam hat man hier an diesen ultimativem Kraft-Ort die Chance das kollektive Level und die
Vereinbarung darüber, wie weit sich ein Zeit und Energieeinsatz für die Firma lohnt, zu halten. Man spricht rücksichtsvoll nur über Dritte, Kolleginnen und Kollegen die nicht anwesend sind, ohne
diese so zu belasten. Emphatisch schwingt man sich auf gleiche Wellenlänge in dem man die Unsinnigkeit nun fast aller Arbeitsabläufe und Geschäftsentscheide aufdeckt.
Erstaunlich eigentlich, dass das Potential für bahnbrechende Geschäftsentwicklungen so wenig nur aus solchen kreativen Runden gefördert wird. Die vertraute Schicksalsgemeinschaft verleiht die Bestätigung an der Richtigkeit des eigenen beruflichen Konzeptes. Vielleicht ist es sogar das Lebenskonzept schlechthin. Man weiss es nicht. Man plant den Tag einfach von Pause zu Pause und kann, dank dieser praktischen schrittweisen Zielsetzung, das eigene Erleben des Arbeitsalltages in der Wirkung nachhaltig reduzieren.
Solche Gruppen schützen das eigene Bestehen gegen Aussen. Denn, so gross lockt das wertvolle Potential daraus, dass potentielle Anwärter für die Pausengruppe nur über dieselbe kollektive Haltung Zugang finden. Findest du die Arbeit, die anderen Kollegen, Vorgesetzte, sowie die Suche nach einer Veränderung ebenfalls sehr fraglich, steigen die Chancen zur Integration. Als Eintrittskarte eignet sich hier unter Umständen ein abgelöschtes Gesicht und dem Vortragen einer schier unglaublichen Geschichte über eine unmögliche Kollegin. Was in der Pause in Gossau besprochen wird, bleibt natürlich in Gossau.